„Mein Wort galt nichts, und ich fühlte mich überfahren, behandelt wie ein Vieh in der Massentierhaltung.“
Die von ihrer Mutter getrennte Joyce schildert ihren Weg durch die Wüsten der Entfremdung
2018-05-06
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Neustadt bei Coburg /Weiler. ARCHE interviewt eine 33 Jahre junge Frau, die zwischen 12 und 21 Jahren nach ihren eigenen Worten „durch die Hölle gegangen“ ist. Sie hat Mutterverlust und Staatsgewalt, Vergewaltigung durch den eigenen Vater erlebt, war psychiatrischer Gewalt, dem Jugendamt-Kinderheim, der Pharma – Zwangsmedikation ausgesetzt. Eine psychiatrisch höchst gewaltsame Einweisung wegen Schulverweigerung war Ausschlag für ihr Leben, in Folge dessen sie später ein Straßenleben führte, schwer suchtkrank und traumatisiert.
- Wie alt warst du, als du deine Mutter verloren hast ? Wie hat sich das angefühlt ? Welche Schmerzen tauchten auf ?
Joyce antwortet:
Wirklich verloren, so wie ich das Wort verstehe, habe ich meine Mutter nicht.
Es war „nur“ ein deutlicher Einschnitt in mein Leben, der die Bindung komplett zerstört hat.
Ich war ca. 13 Jahre alt und wurde auf dem naturwissenschaftlichen Gymnasium beschult. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon ca. 6 Monate die Schule geschwänzt, ich hatte keinen Impuls, dort meine Zeit abzusitzen. Der Ort fühlte sich für mich wie eine zur Schau-Stellung der persönlichen Masken an. Psychische Gewalt unter den Schülern, auch mir gegenüber, veranlassten mich dazu.
Ersatzfamilie Alkohol
Ich war ein ängstliches und schüchternes Kind, ich hatte mich geschämt für die Dinge, die mit mir getan wurden und mich nicht getraut, darüber zu reden. Mein Stiefvater war sehr krank und herrisch und unter Alkoholeinfluss gewalttätig. So sah ich keine Möglichkeit, mich gegenüber meiner Mutter ausreichend öffnen zu können, weil ich Angst hatte, dass sie Schwierigkeiten bekommt.
Ich begann, ab und zu Alkohol zu trinken und zu rauchen. So wurde der Druck für mich erträglicher und es schien, als gebe mir der Alkohol den fehlenden Halt. So lief das schon eine Weile, vielleicht so ein, zwei Jahre.
Ich war also ca. 13 Jahre alt, als die Bindung zu meiner Mutter komplett zerstört wurde, ich sie verlor, und damit auch mich.
Es war ein Tag, an dem ich Alkohol getrunken hatte. Nicht zu viel, aber dadurch, dass ich 13 Jahre war, zu viel für die Polizei. Sie nahmen mich mit auf das Revier und dort saß ich erst mal in der Zelle. Ich dachte mir nichts weiter dabei. Dann brachten Sie mich in ein anderes Zimmer, wo meine Mutter und meine Hausärztin saßen. Ich wusste nicht, was da jetzt abläuft, dachte, ich würde belehrt werden, und dann könnte mich meine Mutter wieder mit nach Hause nehmen.
Mit einer Spritze sollte alles besser werden
Die Ärztin verdeutlichte mir, dass Sie mir nun eine Spritze geben müsse, damit es mir besser ginge. Für mich fühlte sich das nicht gut an, aber ich willigte ein, um möglichst schnell aus dieser Situation zu kommen.
Danach sah ich, dass meine Mutter Koffer dabei hatte, und mir wurde mitgeteilt, dass ich nun für eine Weile ins Krankenhaus müsse. Ich sollte mich noch von meiner Mutter verabschieden und dann kamen auch gleich zwei Notärzte auf mich zu, und nahmen meine Arme.
Ich bekam Panik und wollte das nicht. Ich hatte keine Ahnung, was da vor sich ging. Ich versuchte mich zu wehren. Bald schon waren noch drei Polizisten da, die gemeinsam mit den Notärzten versuchten, mich in den Krankenwagen zu stopfen.
Meine Mutter schaute zu, wie mich die Polizisten und Notärzte in den Krankenwagen stopften
Er war ein Kampf um mein Leben, und ich sah, wie meine Mutter an der Tür zuschaute. Irgendwann gingen mir die Kräfte aus, und ich saß völlig verstört auf dem Sitz im Krankenwagen.
Mit Fußschellen, Handschellen, angegurtet und mit einem Seil umwickelt, um dann in die Psychiatrie gefahren zu werden.
Wie sich das anfühlte? Für mich hat sich das wie Verschleppung angefühlt. Ich fühlte mich missbraucht, vergewaltigt, beschmutzt, und wertlos.
Meine ganze Welt brach zusammen und ich wusste absolut nicht, was da passiert, wohin ich komme, warum und wie lange. Ich wusste nicht, ob ich meine Mutter jemals wieder sehen werde. Und – ich wusste nicht, warum Sie mich nicht mehr haben wollte, wovon ich ab diesem Zeitpunkt ausging. In mir wuchs der Gedanke, dass sie mich abgrundtief hassen muss, wenn Sie so eine abartige Tat zulassen konnte, und auch noch dabei zuschaute. Ich hatte Panik. Keine Zeit, es zu verarbeiten. Mein Wort galt nichts, und ich fühlte mich überfahren, behandelt, wie ein Vieh in Massentierhaltung.
Kompletter Vertrauensverlust
Ich verlor komplett mein Vertrauen. Mein Vertrauen in meine Mutter, in Ärzte, in mich. Ich hatte kein Vertrauen zu den Ärzten und Helfern, den Menschen in der Psychiatrie, kein Vertrauen in das Leben. Das war der erste Schock. Der tatsächliche Mutterverlust ereignete sich allerdings ein paar Wochen oder Monate später. Ich war 14 Jahre. Meine Mutter rief an, Sie würde mich besuchen.
Ein Hoffnungsfunken flammt auf
Ich konnte endlich wieder so etwas wie eine Freude in mir fühlen. Sicher würde Sie mich wieder nach Hause holen. Jetzt würde alles gut werden. Als Sie da war, war Sie sehr kühl und distanziert. Ihr Aufenthalt war nicht lange, und schon bald stellte Sie mir weitere Koffer hin. Ich wusste nicht, was das bedeuten soll, und Sie meinte nur: „Die Schwestern hier haben die ja schon Bescheid gesagt.“, und verabschiedete sich auch gleich wieder.
Das war’s. Ich hatte ein phänomenales Fragezeichen in meinem Kopf. Was war hier nur los ? Ich fragte die Schwestern, und Sie sagten, Sie hätten wohl vergessen, mir Bescheid zu geben. Morgen würde ein Mann kommen, und mich abholen, in mein neues Zuhause.
Wie ein „Zombie“ abgeschoben wird
Ich war fassungslos! Ich ging davon aus, meine Mutter würde mich nach Hause holen, und stattdessen bekam ich weitere Koffer, um noch weiter weg zu kommen. Ich wollte sterben. Ich fühlte mich so ohnmächtig, ich konnte nichts tun, mich nicht wehren, nicht abhauen, weil alles verriegelt war. Die Tabletten, die ich dort bekam, machten mich zudem sehr müde, und ich konnte nicht gut nachdenken, keinen klaren Gedanken fassen. Mir viel nichts ein, wie ich aus dieser Situation rauskommen könnte. Zugepumpt und sabbernd, wie ein Zombie, ohne es kontrollieren zu können. So ergab ich mich in meiner „Leck mich am Arsch“ Medikamenten-Wolke.
Mein unsäglicher Hass auf die mir angetane Gewalt begann meinen Körper zu zerstören
Am nächsten Tag kam dann dieser mysteriöse, alte Mann. Herr Gotthard hieß er. Er hieß so, wie ich ab da meine Welt sah: „Gott ist so hart“, dachte ich. So fuhr er mich in einem schwarzen, sehr schicken Auto ins Nirgendwo. Denn – mir sagte auch niemand, wohin ich kommen würde. Ich war erschöpft und hatte keine Lust mich mit diesem Menschen zu unterhalten. Also schlief ich. Ich schlief die ganze Fahrt über. Nach fast 2 Stunden waren wir da. Im Nirgendwo. Keine Zeit zum Verarbeiten. Keine Zeit, um ins Verstehen zu kommen. Ich blieb den ganzen Tag im Bett. Mein Hass auf mich fing an meinen Körper zu zerstören. Am nächsten Morgen wachte ich auf, vernebelt, nicht fassen könnend, wo ich bin, weinend, ohnmächtig, ängstlich, und mein ganzer Körper war übersät von roten, juckenden Flecken. Es stellte sich heraus, dass ich Schuppenflechte hatte. Über Nacht, und bis heute andauernd. Ausgelöst durch dieses Trauma. Ich hasste meine Mutter, meinen Stiefvater, ich hasste mich, da war einfach nur noch Hass. Und etwas in mir ist gestorben. Den Teil in mir, der so unsagbar schmerzte, kapselte ich von mir ab.
- Wer waren deine Bezugspersonen, nachdem deine Mutter weg war ? Wo konntest du hin, wo fühltest du dich geschützt ?
Wirklich Bezugspersonen hatte ich nicht. Ich versuchte mich mit der Situation bestmöglich zu arrangieren. Aber mir fehlte das Vertrauen. Ich war an einem Ort, wo ich nicht sein wollte, unter Menschen, bei denen ich nicht sein wollte, und tat Dinge, die ich nicht tun wollte.
Der Absturz: Hatte keine Vertrauensperson mehr
Ich „öffnete“ mich den Betreuern gegenüber nur soweit, dass es sich gut für Sie anhörte und ich weitestgehend meine Ruhe vor Ihnen hatte. Ich traute Ihnen alles zu, immerhin hatten Sie mich in meiner Wahrnehmung verschleppt. Ich konnte nirgends hin, keine Fluchtmöglichkeit, keine Vertrauensperson, kein Schutz. In einer fremden Stadt, weit weg von zu Hause. Hier lernte ich Drogen kennen, die mir gemeinsam mit Alkohol das Gefühl von Schutz und Halt suggerierten. So konnte ich einigermaßen das Leben führen, dass von mir verlangt wurde, ohne mich umbringen zu müssen.
- Was erlebtest du mit diesen Menschen ? Missbrauchten sie dich ?
Wenn ich die Frage lese, muss ich spontan an die Zeiten in der Psychiatrie denken. Wir mussten dort so viele Medikamente nehmen, ohne ersichtlichen Grund. Ich verstehe es bis heute nicht. Ich war so oft dort, und immer das Gleiche. Ich kann mich noch so gut an das Gefühl erinnern, als ich meinen Körper nicht mehr kontrollieren konnte und mein Kopf sich äußerst schmerzhaft auf die Schulter bog.
Experimentier-Tier Mensch – Ersatzfamilie Medikamente
Ich bin dann völlig panisch zur Schwester. Sie meinte nur: „Ach, das kommt von den Medikamenten, ich gebe dir eine Spritze dagegen.“ So lief das eine Weile, immer wieder unter starken Schmerzen. Ich habe bis heute Schmerzen in den Muskeln, vorrangig in Nackenbereich. Sie sind angespannt, ohne, dass ich es kontrollieren könnte. Ich hatte damals irgendwann damit begonnen, die Medikamente unter meinem Kopfkissen zu sammeln, um sie dann meiner Hausärztin zu zeigen, wenn ich wieder draußen bin. Eine Krankenschwester hatte sie dann gefunden, und mir unterstellt, ich würde mich umbringen wollen. Daraufhin wurde ich auf eine andere Station verlegt und einige Tage mit einem 5-Gurt System fixiert und beobachtet. Um es bildlich darzustellen: Man liegt auf dem Rücken ans Bett gefesselt, durch Bauchgurt, Fuß-und Handmanschetten, bekommt eine Spritze und schläft ein. Was in der Spritze war, weiß ich nicht. Ich kann mich nur erinnern, dass ich ab und zu aufwachte, und es sich anfühlte, wie Folter. Gebunden an ein Bett, und von einem fremden Menschen beobachtet. Mir passierte das sehr oft mit der Fixierung.
Mein letzter Hoffnungsschimmer, mein Vater, vergewaltigte mich
Eine andere, für mich sehr intensive Erfahrung war ein paar Jahre später. Ich war ca. 19 Jahre alt. Vorher war ich in einer Langzeittherapie, um mein Suchtproblem in den Griff zu bekommen. Ich willigte dem Aufenthalt dort aber aus anderen Gründen zu, immerhin hatte ich dadurch eine Unterkunft. Dort lernte ich in der Nähe meinen Vater kennen. Eine Situation, die unmöglich schien. Es war wundersam. Ich wusste nichts von ihm. Und nach längerem Kontakt kam es dann dazu, dass er mich vergewaltigte. Das war so unsagbar grausam, und hatte mich komplett aus der Bahn geworfen. Der Mensch, in den ich den Hoffnungsschimmer gesetzt hatte, endlich einen sicheren Hafen zu haben. Es war das erste Mal, dass ich dadurch freiwillig in die Psychiatrie ging, um es irgendwie verarbeiten zu können. Nach einigen Wochen konnte ich in die offene Psychotherapeutische Station. Es war so verlockend, mit anderen Patienten in die Stadt zu gehen, um etwas zu trinken und diese Schmerzen zu vergessen. Wir waren angeheitert vom Alkohol, und ziemlich gut drauf. Natürlich war dort aber Alkohol verboten.
Wenn Pfleger so auf mich zukamen, hatte ich Angst
Aber was dann geschah, ängstigte mich zutiefst. Als sie es mitbekamen, kam da kein Gespräch zustande. Aus einem gut drauf, und ggf. hinlegen, wurde eine Situation, die völlig aus den Fugen geriet. Sie verschlossen alle Türen. Es kamen vier Pfleger und eine Pflegerin auf mich zu und versuchten mich in die Ecke zu drängen. Wenn Männer so auf mich zukamen, hatte ich logischerweise Angst, aus meiner jüngsten Erfahrung. Es kam zum Kampf, und ich hatte Angst um mein Leben. Keine Fluchtmöglichkeit. Am nächsten Tag wachte ich wieder ans Bett gefesselt auf. Irgendjemand saß an meinem Bett und erzählte mir, dass ich jetzt wieder auf der geschlossenen Station liege. Es war am vorherigen Tag auf meiner alten Station noch eine Balkontür geöffnet gewesen, die für mich die einzig übrig gebliebene Fluchtmöglichkeit vor den Pflegern darstellte. So hatte mich wohl beim Sprung, den ich aus dem letzten Stockwerk tätigte, gerade noch so ein Mitpatient am Arm greifen können. Es hätte meine letzte Aktion sein können, durch absolute Fehleinschätzung einer Situation durch die Pfleger.
Vollkommene Entmachtung: Ans Bett fixiert
Ich hatte auch mal etwas auf dem Gang mitbekommen, auf dem immer ein älterer Herr seine Runden ging. Er tat nichts, außer ruhig zu laufen. Und plötzlich kamen vier Pfleger auf ihn zugestürmt, packten ihn sehr grob an den Armen und brachten ihn in sein Zimmer. Ich hörte dann nur seine Schreie. Als die Pfleger wieder raus kamen, sah ich, dass der Mann am Bett fixiert war.
Nun wieder ein paar Jahre zurück, in die Zeit, in der ich im Kinderheim lebte
Zu zwei Erziehern hatte ich mit der Zeit eine relativ vertrauensvolle Beziehung aufgebaut. Den Rest der Erzieher hatte ich nicht großartig an mich ran gelassen. Ich fand mich eben mit der Situation ab, dass ich nun dort leben sollte. Aber diese Grundtrauer und den Schock konnte ich nicht verstecken, nur mildern, indem ich es mir mehr und mehr in den Sphären der Drogen und des Alkoholrausches gemütlich machte. Darüber geredet hatten wir nie. Es schien normal zu sein, dass Kinder dort hin kommen, egal, auf welchem Weg, egal wie das WIE aussah. Sich damit abfinden und tun, was man da tun sollte, das schien der Weg zu sein, auf dem man die wenigsten Probleme bekam. Das Einzige, was sich durch die Erzieher nach Missbrauch anfühlte, war, dass sie einen im Krankheitsfall ins Zimmer einschließen mussten. Dieses Einschließen, Einsperren durch Andere, zog sich immer wieder durch mein Leben. Heute genieße ich offene Türen und große Räume.
Im Heim hatte ich mein BVJ gemacht und somit in kurzer Zeit ein Zeugnis, welches wohl wichtig zu sein schien, für wen auch immer. Für mich waren andere Fragen wichtiger, wie z.B.: Was ist der Sinn des Lebens ? Wie wird man glücklich ? Warum will mich meine Familie nicht ? Warum gibt es so viel Gewalt ? Sieht denn niemand, was hier schief läuft ?
Er sprang aus dem Bus und knallte gegen einen Baum
Es gab dort einen Jungen, der immer sehr stark gemoppt wurde. Er war anders, als wir, schien sehr schwach und hatte keinerlei Selbstbewusstsein. Da im Grunde jeder im Heim von Trauer und Wut durchzogen war, und es nicht fühlen wollte, wählten sie diesen Jungen, um all ihre Trauer, verpackt in Hass, auf ihn zu projizieren.
Dann kam der Tag, an dem er wie immer, von seiner Erzieherin mit seiner ganzen Gruppe ins Schloss gefahren wurde, um dort zu arbeiten. Er wollte nicht mehr. Er hatte so viel Angst, wieder gemoppt zu werden, wieder ausgelacht, wieder diese Scham. Er zog während der Fahrt die Tür auf, und sprang aus dem Bus. Er ist direkt an einen Baum geknallt und vor Ort gestorben.
Ich hoffe, dass die Menschen ab diesem Punkt seine Trauer und seinen unsäglichen Schmerz sehen konnten.
- Wie kamst du raus und wie viele Jahre hat dein Weg gedauert, bis du über deine Misshandlung sprechen konntest ?
Drogen sind meine besten Freunde
An den genauen Vorgang des „raus Kommens“ aus dem Kinderheim kann ich mich nicht mehr detailliert erinnern, wie es denn nun funktioniert hatte. Ich war ca. ein oder zwei Jahre dort. Ich weiß es nicht mehr ganz sicher, aber es ging zum Schluss darum, dass ich mit den Drogen aufhören sollte, wenigstens mit den Chemischen. Aber das wollte ich nicht. Es schien mir mein einziger Anker zu sein, mein bester Freund. Ich entschied mich dafür, wieder in meine Heimat zu gehen, woraufhin ich dort wieder durch die Straßen zog.
Dann holte meine Mutter mich raus
Aus der Psychiatrie kam ich meist nach ca. zwei Monaten. Das waren immer die gleichen Intervalle. Außer einmal. Da rief ich meine Mutter an, und sagte ihr, dass ich nicht mehr kann, und viel zu viele Medikamente bekomme. Sie besuchte mich, und sah, dass ich wie ein Zombie herum lief, und kaum noch etwas steuern konnte. Dieses eine Mal, wenn ich mich nicht täusche, war es sogar das Letzte mal, entschied sich meine Mutter dafür, mich da raus zu holen.
Das war eine große Geste, man kann sich kaum vorstellen, wie sich das für mich anfühlte, endlich von ihr beschützt zu werden. Mein damaliger Weg, der aus Straße, Kinderheim, Langzeittherapien und Psychiatrie bestand, dauerte knapp zehn Jahre an.
Kinderheim max. zwei Jahre. Zwei Therapien mit je eineinhalb Jahren. Die Gesamtdauer der Psychiatrieaufenthalte weiß ich nicht. Es waren viele Aufenthalte in meiner kompletten Jugendzeit. Ich hatte nach einigen Jahren die Krankenakten angefordert. Und dem wurde zugestimmt, mit der Aussage, es würde aber teuer kommen, weil es drei sehr dicke Ordner seien. Das war total ok für mich, denn ich wollte den Wahnsinn aufzeigen, was hier passiert, was ich dort natürlich nicht erwähnte. Ich habe vor, ein Buch über mein Leben zu schreiben, und all diese interessanten Begebenheiten, die hier ablaufen.
Die Beweise der Zeiten mit den fragwürdigen Tests waren verschwunden
Als es dann zum Kauf der Akten kam, war plötzlich weniger, als ein halber Ordner übrig. Die Wichtigsten Zeiten, in denen fragwürdige Tests mit mir gemacht wurden, wurden zerstört.
Mir kam vor ein paar Jahren wieder die Erinnerung, dass ich in einem Schlaflabor war, und auch dort merkwürdige Tests mit mir gemacht wurden. Ich hatte nie Probleme damit. Meine Mutter wusste wohl nichts davon, und die Frage in mir wurde immer lauter: „Wie und warum kam ich da rein ?“ Lange Zeit traute ich mich nicht, dort anzurufen, und zu erfragen, ob und wann ich dort war. Ich erhoffte mir insgeheim, dass ich mich täuschte. Als ich mich überwunden hatte, bekam ich die Auskunft, dass ich mit 14 Jahren dort war. Man könne aber nicht mehr einsehen, warum und wie lange, und wer mich dort hin brachte.
Über die Misshandlungen habe ich noch nie großartig geredet. Mit zwei bis drei auserwählten Menschen, manchmal. Durch dieses Interview beschäftige ich mich erstmals intensiver damit, was sehr heilsam ist. Dafür danke ich dir sehr!
- Was machst du heute ? Hast du selbst Kinder ? Wie lebst du ?
Heute bin ich dreifach Mami. Meine erste Schwangerschaft war die treibende Kraft, mein höheres Ziel, mit all den Dingen aufzuhören, die mir und meinen Kindern schaden könnten. Hier hat mein Weg, endlich mein eigener Weg begonnen, die Befreiung aus allen unglücklichen Umständen, das Ja zu mir und meinem Leben, das Loslassen meiner Geschichte, und der Weg in immer mehr Freude und Leichtigkeit, der Weg in die Liebe.
Der heilsame Wandel: Ich übernehme Verantwortung für mich und für meine Gefühle
Wie lebe ich ? Ich übernehme Verantwortung für meine Gefühle, mein Wohlergehen, meine Gesundheit, und lehre dies, so gut ich kann, meinen Kindern. Ich nähre meinen Körper mit Dingen, die ihm Energie geben und die er benötigt, ich pflege meine Selbstliebe, Gifte kommen nicht mehr in meinen Körper, soweit es in meiner Macht steht (Umwelt zählt z.B. nicht rein), auch nicht gedanklich, soweit mir dies bewusst wird, ich drücke meine innere Wahrheit aus und bin mir mittlerweile voll bewusst darüber, dass unsere Gedanken und Gefühle manifestieren und wir unser Leben selbst kreieren, und somit jeder Mensch die Macht hat, sein Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen, und alles schaffen zu können.
Ich baue gerade mein Herzensbusiness auf, das, was ich so sehr liebe. Es dreht sich alles um den Weg hin zum „Ganz ich Selbst“, um die Weiblichkeit, Transformation, Selbstliebe, heilende Beziehungen, Potentialentfaltung, die innere Stärke uvm. Eine Mischung aus Kunst, innerer Weisheit und Wegbegleitung. Ich suche Sponsoren, da es mein sehnlichster Wunsch ist, ein Heilungszentrum aufzubauen, in dem jeder seinen eigenen Weg zur Heilung durch praktizierte Selbstliebe finden kann. Allerdings, am Geld soll es auch nicht liegen, es wird mich nicht aufhalten, wenn es gerade nicht da ist. Ich nutze das, was ist und mir das Leben bietet, und tue, was ich liebe.
- Gibt es irgendeinen Punkt, an dem sagen würdest: Hier hätte ich mein Leben ändern können oder hier habe ich es aktiv geändert ?
Nein, mit *hätte* beschäftige ich mich so gut, wie nie. Es war alles perfekt so, wie es ist und war. Es hat mich geschliffen, sensibel, im Sinne von feinfühlig und sehr stark in meiner Persönlichkeit gemacht. Ich stehe heute durch all meine Erfahrungen für meine Werte ein, und kann Menschen sensibilisieren, und auch auf ihren Weg begleiten. Ich kann mich dadurch so gut einfühlen, und auch die nötige liebevolle Strenge bieten, die es benötigt, um sich selbst nichts mehr vorzumachen.
Ich liebe mein Leben, ich liebe mich und meine Kinder
Ich habe mein Leben aktiv verändert, ja! Wie oben schon erwähnt, ab meiner ersten Schwangerschaft. Mich selbst konnte ich damals noch nicht lieben. Aber da war ein Kind in meinem Bauch, dem ich all das Leid ersparen wollte, was ich erfahren hatte. Es wurde ein Funken der Liebe und ein Verantwortungsbewusstsein in mir geboren, die Aufgabe, dass ich alles Lebensfeindliche, jeden Hass, und alle Schuldzuweisungen, jedes Opfertum in mir heilen muss, damit es nicht meine Kinder für mich lösen müssen. Da war dieses höhere Ziel, der Auftrag, meinen zukünftigen Kindern ihre Kindheit zu lassen, möglichst unbeschwert, und vor allem als das, was sie sind.
Das war anfangs ein sehr harter Weg, so schmerzhaft mit vielen düsteren Momenten, in denen ich durchaus auch mein Leben beenden wollte. Doch mein Ziel vor Augen war stärker, meine Vision von einem glücklichen, leichten und liebevollen Leben. Meine Vision von Kindheit, Freiheit, Liebe. So war und ist mein höchstes Ziel, durch den Abgrund meiner selbst zu tauchen, und meine Herzensmauer zu schmelzen, immer mitten durch den Schmerz, ihn liebevoll annehmend mit dem Ja zu mir.
Meine Mauer ist weg. Manchmal verschließt sich mein Herz noch kurz und es wird eng. Dann gehe ich atmen und kümmere mich um mein Wohlergehen. Eigenverantwortung und Selbstliebe, darum geht es. Bei uns allen. Ich liebe mein Leben, ich liebe meine Kinder, ich liebe mich, ich liebe meinen Partner, ich liebe Menschen. Und – ich zeige mich mehr und mehr, gehe durch alle meine Ängste. Das wünsche ich von Herzen einem Jeden, um endlich bei sich selbst anzukommen und sich zu leben und zu lieben, so, wie er ist.