‚Todes’urteil per Gutachten

Weitere Prozesstage in Gießen um das Schicksal des Kreistagsabgeordneten Dennis Stephan erwartet –  Gustl Mollath kommentierte den Verhandlungstag

Ersterscheidnung November 2013 in TV-ORANGE

2013-11-07

Gießen. Für eine sehr hoch gegriffene Strafe oder bislang Beschwernis, ist der bisher bekannt gewordene Anlass gering. Dem Politiker der Linke, Dennis Stephan, wird versuchte Brandstiftung vorgeworfen und „verrückt“ zu sein.

Es gab in dessen gekachelten Badezimmer einen kleinen Schwelbrand und bisher juristisch und medizinisch gesehen „viel Rauch um nichts“.

Verhandelt wurde im Prozess am Montag eigentlich über den Geisteszustand des Politikers Stephan und indirekt gleich mit über die Qualität von Gutachten in der Justiz.

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Rechtsanwalt Thomas Saschenbrecker und der Angeklagte Dennis Stephan in der Verhandlungspause. Der Linke-Politiker wurde mit Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Die Journalisten und Zuhörer waren wie bei einem Prozess gegen Schwerverbrecher mit einer dicken Glaswand vom Verhandlungssaal getrennt. Der Vorwurf: Schizophrenie.
Foto: Heiderose Manthey

 

Der Politiker machte wortgewandte, sehr klare und gezielte Anträge – unter anderem lehnte dieser den Sachverständigen Dr. Rainer Gliemann als befangen ab. Die 3. Kammer des Landgerichts Gießen, unter Vorsitz der Richterin Regine Enders-Kunze, hatte sich jedoch lang und kompliziert bei der Ablehnung des Befangenheitsantrages gegen den Sachverständigen geäußert.

Zahlreiche Beobachter aus Fernsehen, Presse und Politik etc. befanden sich in dem Zuschauerbereich – darunter auch Gustl Mollath, der in den Medien zum prominenten „WHISTLEBLOWER“ geworden ist. Mollaths Eindruck war klar zu vernehmen: “Schlechte Gutachter müssten selber mal die Wirkungen solcher Belastungen ausbaden“.

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Der meistgefragte Zuschauer war an diesem Prozesstag Gustl Mollath. In zahlreichen Interviews forcierte er die Aufklärung über die Machenschaften der deutschen Justiz und Psychiatrie. Zum gerichtlichen Vorgang explizierte er knallhart: „Der wird in die Pfanne gehauen!“
Foto: Heiderose Manthey

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Menschen werden eben auch in Deutschland um Freiheit und Leben, um Familie und Beruf, um Geld, Einkommen und Habe und um Gesundheit und Rechte, u.a. dem Recht auf Unversehrtheit gebracht – in unnachvollziehbaren Vorgängen.

Grundsätzlich gilt es das Procedere der Justiz und der Gutachten anzuzweifeln und gegebenenfalls dagegen vorzugehen. So schreibt u.a. der Mit-Verfasser diese Artikels, Dipl. Soz. Päd. Klaus-Uwe Kirchhoff, immer wieder auf seinem Portal Sozialenergie, wobei er im Fokus normalerweise die Jugendhilfe und derer Gutachter flankierend beobachtet und kritisiert. Er moniert heftig: „Die Justiz greift bei weitem nicht nur ein, weil Menschen, die angeklagt werden,  richtig ‚unwertes Leben’ oder gar verrückt sind.“
Gustl Mollath musste dieses bereits sieben Jahre lang erleben und spricht aus leidvoller Erfahrung, mahnt seither öffentlich und gibt im Interview in den Verhandlungspausen der Presse gegenüber an: „Haben Sie schon mal erlebt, wie zehn Mann auf einen Körper losgehen, auf ihn drauf springen? Haben Sie solche Schreie aus einer Zelle in der Psychiatrie schon mal gehört?“ Erschüttert wendet er seinen Kopf ab.
Gustl Mollath hat Erfahrung, weiß wovon er spricht, grausame Rückerinnerungen, traumatische Geschehen erlebt und miterlebt. Als er einen Schwarzgeld-Skandal zur Anzeige brachte, wurde der nun Prominente ab 2003 offenkundig mittels Psychiatrie in der Forensik „kalt gestellt“. Ein Gutachten kann ein Todesurteil sein.

Der Sachverständige in Gießen nun verdächtigt den Politiker Stephan eine Schizophrenie zu haben. Ebenso wie alle Zeugen, welche Hörensagen bisher nur weitergaben, verweist jedoch auch Herr Dr. Rainer Gliemann darauf, dass nicht er selbst hier im Gutachten Aussagen begründen würde, sondern er hätte bei anderen gelesen, daher alles per Befangenheitsantrag Angegriffene lediglich im Konjunktiv auch dort erklärt. Er räumte damit ein, dass dessen Beurteilungsfähigkeit schwach sei.

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Der Forensiker Rainer Gliemann beteuert in seiner Aussage die Richtigkeit seiner Vorgehensweise vor Beginn des Erstellens seines Gutachtens. Er wäre am Anfang der Begutachtung gewesen, als der Angeklagte keine Lust mehr zur Weiterführung des Gespräches gehabt hätte. Gliemann attestierte dem Linken-Politiker eine paranoid halluzinatorische Schizophrenie.
Foto: Heiderose Manthey

 

Der Verdacht, dass eine Geisteskrankheit vorläge, ist bisher auch den Prozessbeobachtern nicht glaubhaft zu vermitteln gewesen. Da stand kein „verwirrter armer Irrer“ vor Gericht! Eher entstand der Eindruck, dass der Politiker Stefan, der u.a. auch für Entkriminalisierung von Drogen (wie Canabis) eintritt – aus gegebenen ‚Eigen-Erfahrungen’ hier sich für diese politischen Ziele einsetzte. Scheinbar hatte Herr Stephan Drogen genommen und solche könnten psychoaktive Wirkungen gehabt haben. „Ohne Joint“ jedoch erscheint der Politiker bewusstseinsklar und somit falsch eingeschätzt worden zu sein.

Dennis Stephan hatte jedoch auch andere politische Ziele: Unter anderem in der Asylfrage und im Sozialbereich äußerte er sich bereits politisch für Menschen engagiert gegen den nun eingesetzten Gutachter.

Verbleiben die Fragen: Wird hier ein Politiker kalt gestellt? Hatte man nach dessen Schwächen gesucht und welche gefunden?

Es gibt bisher keinen echten Beweis für die Tatvorwürfe, lediglich zusammengetragene nicht einmal klar ausgesprochene Verdächtigungen, welche eine Fremd- und Eigengefährdung daraufhin nun unterstellen. Am heutigen Tag geht der Prozess nun in die Verlängerung, denn es wurde eigentlich keine Tat, sondern eine mögliche Diagnose bisher verhandelt.

Was dem Politiker Stephan droht, ist mehr als lebenslänglich weggeschlossen zu werden.

Bericht
Dipl. Soz. Päd. Klaus-Uwe Kirchhoff, Autor Sozialenergie
Heiderose Manthey, Leiterin der ARCHE Weiler


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