Nachruf für Bernd Kuppinger

Erfolgreicher Vorkämpfer für das Recht der Kinder auf beide Eltern stirbt viel zu früh: „Kein Mensch steht den emotionalen Trennungsstress jahrzehntelang unbeschadet durch !“

Dr. Bernd Kuppinger *21.01.1953 † 21.08.2021

von Michaela Bautz

2021-11-05

Beisetzung eines der größten Vorkämpfer zur Überwindung von Eltern-Kind-Entfremdung. Nachruf für Dr. Bernd Kuppinger. Foto: Heiderose Manthey. Letzter Gruß von ARCHE.

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Heidelberg/Weiler. Vor 2 Monaten hat Bernd Kuppinger diese Welt für immer verlassen. Am 21.08.2021 hat er den Kampf endgültig verloren. Den Kampf gegen eine heimtückische Krankheit, den Kampf um seinen Sohn, den Kampf um sein Recht, den Kampf um sein Leben.

Bernd Kuppinger, der Kämpfer

Kämpfen müssen ! Das zog sich wie ein roter Faden durch sein ganzes Leben. Um Bernd Kuppinger besser verstehen zu können, muss man sich seine Kindheit anschauen.

Bernd wurde am 21.01.1953 in Wiesental bei Karlsruhe geboren. Der Vater war Handelsvertreter mit Hang zum Glücksspiel und Alkohol, die Mutter war die klassische Hausfrau. Hier wurde der Grundstein für sein späteres Verhalten gelegt.

Es war wohl keine sehr glückliche Kindheit, denn die Alkohol- und Spielsucht seines Vaters, stürzte die Familie häufiger ins Unglück. Wirtschaftliche Probleme, Erleben von Gewalt, Verlust des eigenen Hauses sind nur einige Beispiele. Gute Zeiten, schlechte Zeiten.

In diesen frühen Jahren seiner Kindheit, lernte Bernd sich zu wehren, zu kämpfen. Sich zu wehren gegen den Vater, zu kämpfen für seine Mutter.

Sein Durchsetzungsvermögen bringt ihm das Diplom in Psychologie

Trotz der widrigen Umstände, ging er seinen Weg. Schloss die Schule mit dem Abitur ab und begann sein Studium der Psychologie an der Universität Heidelberg. Psychologie zu studieren war sein Wunsch. Nur reichte sein Notendurchschnitt nicht aus. Aber aufgeben kam für Bernd nicht in Frage. Er schrieb sich in Seminaren ein, besuchte Vorlesungen und gab die notwendigen Semesterarbeiten ab. Als er alle notwendigen Nachweise zusammen hatte, zog er vor Gericht und klagte seinen Studienplatz ein. Was ihm auch gelang. Er schloss das Studium als Diplom-Psychologe ab.

Auf zwei Beinen stehen: Auch das Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen

Aber ein Studium war ihm nicht genug. Als Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung, begann er sein Medizinstudium. Auch dieses Studium schloss er erfolgreich ab.

Die Eltern waren inzwischen geschieden und Bernd machte es ich zur Aufgabe – neben dem Studium – dafür zu sorgen, dass seine Mutter gut untergebracht war und ihr eigenes Leben aufbauen konnte.

Seinen Vater, der durch Alkoholsucht und Spielschulden inzwischen sozial abgerutscht war, lies er aber auch nicht im Stich.

Außerordentliches Ehrgefühl: Schulden des Vaters beglichen

Er ermöglichte eine würdevolle Unterkunft, erstritt vor Gericht Sozialhilfe für den alten Herrn … und musste die Schulden des Vaters abzahlen. Eine Last die nicht Jeder getragen hätte. Bernd hat sich der Aufgabe gestellt.

Dass er die einmalige Chance ein Praktikum in New York anzutreten ausschlug – da er seinen Vater nicht sich selbst überlassen wollte und konnte – sei hier nur am Rande angemerkt.

Eine Entscheidung, die er jedoch ein Leben lang bereute.   

Aufbau der eigenen Praxis

Nach Abschluss seines Medizinstudiums- und der Assistenzarztzeiten sowie der notwendigen Fortbildungen, machte er sich als Arzt und Psychologe selbständig. Die kommenden Jahre waren durch Arbeit geprägt. Selbst und ständig. Seine Praxis aufzubauen machte ihm Spaß und erfüllte ihn. Zeit für eine eigene Familie blieb da nicht. Auch sonst gönnte er sich kaum etwas. Keinen Urlaub, kaum Freizeit, keine Erholung. Die Arbeit war der Lebensmittelpunkt.

Mit 50 Jahren endlich ließ Bernd sich auf das Abenteuer „Vater werden“ ein. Die Jahre vorher war er dazu noch nicht bereit. Was ihn dazu bewogen hat, kann und will ich hier nicht kommentieren.

Bernd Kuppingers „Vaterglück“ und sein Sohn Marius […]

Am 21.12.2003 kam sein Sohn Marius zur Welt. Bernd ´s Vaterglück währte leider nicht lange. Schon in der Schwangerschaft zeichneten sich die Probleme mit der Mutter des Sohnes ab. Unterschiedliche Lebensstile, Vorstellungen, Wünsche, Forderungen konnten diese „Beziehung“ nicht retten. Eine Beziehung die nie eine war.

Eine Einigung, eine Kooperation zu Gunsten des gemeinsamen Sohnes war vermutlich seitens der Mutter nie wirklich gewünscht. Eine Szene nach der ersten (Umgangs-)Verhandlung beim Amtsgericht Frankfurt prägte sich mir ein: Bernd ´s damaliger Anwalt suchte das persönliche Gespräch mit der Anwältin der Kindsmutter, um die Möglichkeiten auszuloten, wie ein Umgang zwischen Vater und Sohn – für alle Seiten zufriedenstellend – verwirklicht werden könnte. Die Antwort der Anwältin war kurz und knapp: „Es wird keinen Umgang geben.“

“Der Beschluss des OLG interessiert mich nicht. Ich entscheide, ob Sie Umgang bekommen oder nicht.“

Es folgte ein jahrzehntelanger Gerichtsmarathon, den Bernd im Grunde genommen nie gewinnen konnte. Umgang mit dem Sohn sollte um jeden Preis verhindert werden und diese Strategie gelang mit Unterstützung aller beteiligten Professionen (Umgangsbegleiterinnen, Gutachterinnen, Verfahrenspflegerinnen, Jungendamtsmitarbeiterinnen, Richterinnen, Anwältinnen). Auch an einen Umgangsbegleiter kann ich mich gut erinnern, Zitat: “Der Beschluss des OLG interessiert mich nicht. Ich entscheide, ob Sie Umgang bekommen oder nicht.“ Für mich ist dieses Verhalten eine perfide Art des Machtmissbrauchs. Diese Einschätzung durch mein therapeutisches Auge muss erlaubt sein.

Zweimal vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewonnen

Selbst zwei Siege vor dem EUGH konnten Bernd nicht den gewünschten Umgang mit seinem Sohn ermöglichen. 2015 letztendlich merkte man, dass seine Kraft zu Ende ging. Er hatte noch die Hoffnung, dass sein Sohn in der Pubertät auf ihn zukommen würde. Leider blieb es bei der Hoffnung, der Sohn suchte nie den Kontakt zum Vater.

Ein halbes Jahr vor seinem Tod, versuchte Bernd das letzte Mal Kontakt mit seinem Sohn aufzunehmen. Aber den Wunsch seinen Sohn sehen zu dürfen – seinen Sohn kennen lernen zu dürfen – wurde von der Mutter wieder abgelehnt.

Dr. Bernd Kuppinger mit Sohn. Einer der ganz wenigen Momente in seinem Leben, in denen er seinen Sohn sehen und spüren durfte. Foto: Kuppinger.

„Vater und Sohn“, das war Bernd´s  Lebens-Thema: Vom Sohn der keinen fürsorglichen Vater erleben durfte, zum Vater der seinen Sohn nicht erleben und kennen lernen durfte.

Kein Mensch steht den emotionalen Trennungsstress jahrzehntelang unbeschadet durch

Das Drama um seinen Sohn hat mit ziemlicher Sicherheit zum Ausbruch seiner Erkrankung beigetragen. Kein Mensch steht diesen emotionalen Stress jahrzehntelang unbeschadet durch. Im Juli 2018 erhielt er die niederschmetternde Diagnose.

Nach dem ersten Schock, stellte er sich auch diesem schweren Weg. Und der Weg war schwer. Ich kann das beurteilen, denn ich habe ihn begleitet.

In den vergangenen drei Jahren gab es auch gute Zeiten voller Optimismus, Freude und Zuversicht. Die Schwere der Erkrankung aber hat Bernd letztendlich keine Chance gelassen.

Multiple Emotionale Feuer leben

Bernd war aber nicht nur der verbissene Kämpfer: er war mutig, furchtlos, humorvoll, naiv, leichtgläubig, schnell begeistert, konnte sich furchtbar aufregen, klug, ein begnadeter Diagnostiker,  analytisch, ein sehr guter Arzt und Psychologe, sentimental, stur, politisch, er interessierte sich für Kunst und Musik (von Klassik bis Rolling Stones), flanierte gern durch Städte und Cafés, liebte Oldtimer, flog gerne in den Süden (was er sich in seinen letzten Lebensjahren auch gönnte), ein Sammler, ein Freund, mein Freund.

Ich werde Bernd Kuppinger vermissen.

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Dr. Bernd Kuppingers letzte Bleibe

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Heiderose Manthey verabschiedet sich mit einer Rede von Dr. Bernd Kuppinger, dessen Arbeit  weit über die Grenzen des menschlich Machbaren hinausgeht. Bernd Kuppinger hilft durch seine errungenen Siege vor dem EGMR vielen Betroffenen. Foto: Alexander Neuhaus.

Die Präsidentin der ARCHE hält eine gefühlvolle Abschiedsrede für Bernd, den sie als aufrichtigen und gradlinigen, zuverlässigen und komplett klaren Mitstreiter kennen- und schätzengelernt hat. Sie führt den Trauergästen vor Augen, welche große Bedeutung „DER KUPPINGER“ für seine Nachwelt hat.

Heiderose Manthey entschuldigt sich bei einer Bernd Kuppinger nahestehenden Freundin im Rahmen ihrer Netzwerktätigkeit für die Tatsache, dass nur drei Betroffene zur Beisetzung angereist waren.

Heiderose Manthey selbst war über diesen Umstand  schockiert, wohlwissend der Bedeutung und des Erfolgs, den Bernd Kuppinger für alle betroffenen und von ihren Kindern brutal abgetrennten Väter und Mütter im Hinblick auf deren Gerichtsprozesse im Kampf um ihre Kinder errungen hat.

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Zur ARCHE-Präsenz von Dr. Bernd Kuppinger

Kuppinger Dr. Bernd