Peinlichkeiten im Plädoyer von Sandra Stürmer: Wie dumm sind die Deutschen eigentlich ?
Staatsanwältin fordert hohe Geldstrafe wegen angeblichem „Titelmissbrauch“
2017-11-14
Gießen. Der Strafprozess am 08. November 2017 gegen Dr. Andrea Christidis wegen Titelmissbrauch wurde nun vor dem Landgericht in Gießen im Saal 227 in einer öffentlichen Sitzung der 8. kleinen Strafkammer eröffnet. Prozessbeginn der Strafsache war um 09:23 Uhr. Ein dreistündiger Prozess folgte. Vorsitzender Richter am Landgericht war Heiko Söhnel, als Schöffen wohnten Harald Bönsel und Herbert Weller bei.
Die Verhandlung
Eine promovierte Psychologin muss gegen den Missbrauch ihres eigenen Titels durch die Staatsanwaltschaft kämpfen
Gleich zu Beginn der Verhandlung erteilt der Vorsitzende Richter am Landgericht, Heiko Söhnel, das Wort an Dr. Andrea Christidis. Diese äußert klar und fest: „Ich bin promovierte Psychologin.“
Angezeigt wegen Titelmissbrauch wurde die Psychologin Angaben zufolge im Jahr 2013 vom Jugendamt Landkreis Gießen und von Susanne Musal. Per Zufall soll die Angeklagte darüber informiert worden sein.
Wer schützt eigentlich die Allgemeinheit gegen das hartnäckige und spitze Betreiben des Formalismus von Seiten der Staatsanwaltschaft Gießen auf Kosten der Steuerzahler ?
In den bisher insgesamt vier Prozessen wegen Titelmissbrauchs waren bislang Staatsanwältin Sarah Otto, Staatsanwalt Christian Bause, Oberamtsanwalt Otto Linscheidt, Staatsanwältin Katharina Nowak, Oberstaatsanwalt Phillip Zmyj-Köbel, zahlreiche weitere Staatsanwälte und ganz aktuell Staatsanwältin Sandra Stürmer involviert.
Insgesamt gab es drei Verurteilungen in den Jahren ab 2010, weil man der Angeklagten unterstellte, gar keinen Titel zu haben, obwohl sie gleich zwei davon bereits im Jahr 2008 erworben hatte und in 2009 eine universitäre Fortbildung in Kriminalistik und Forensik.
Am 12. Oktober 2016 hatte die Angeklagte auf Antrag der Staatsanwaltschaft Gießen endlich einen Freispruch durchgesetzt, jedoch hatte dieselbe Staatsanwaltschaft wieder Berufung eingelegt, obwohl Christidis die zwei ausländischen Hochschulabschlüsse sogar auf Masterebene erreicht hatte.
Das Landeskriminalamt ermittelte sogar über Interpol !
Als Zeuge war der sachbearbeitende Polizist Lang geladen, der aufgrund einer Plus-Minus-Sendung und der dort genannten Berufsbezeichnung samt Titel hinterfragte, ob Frau Christidis den Titel tragen dürfe. Von Seiten der Polizei wurde eine Anfrage an Interpol Indien über das Landeskriminalamt gestartet.
Monate später kam die Antwort, eine der Universitäten würde nicht mehr existieren und Frau Christidis sei der Titel aberkannt worden. Der Zeuge wusste, dass die Berufs- und Titelbenennung die Freiheit des Redakteurs sei und Frau Christidis dafür nicht zuständig ist.
Rechtsanwalt Müller wurde an dieser Stelle heftig und fragte echauffiert, wie man Interpol wegen „so einem Mist“ anschreiben könne.
Richter Söhnel hatte den Polizei-Beamten geladen, um den Weg der Email an die Universität, die jedoch vor Gericht nicht als Beweis verwendet werden kann, nachvollziehen zu können.
Das LKA bekam als Antwort, dass es keine Antworten mehr per Email gäbe.
Selbst die Richter versuchten sich an der Übersetzung
Das Amt solle den offiziellen diplomatischen Dienstweg beschreiten. Die Richter Holzmann und Söhnel versuchten sich selbst an der Übersetzung.
Letztlich stellte sich nach erheblichem Aufwand der Ermittlungsbehörden, der weit über vier Jahre betrieben wurde, heraus, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Titel von Dr. Christidis nicht rechtmäßig erworben wurden.
Das Plädoyer von Staatsanwältin Stürmer
Große Aufmerksamkeit erregte das Plädoyer von Staatsanwältin Sandra Stürmer. Sie argumentierte entgegen ihrer Vorgängerin Katharina Nowak, die den Freispruch beantragte, dass doch Titelmissbrauch vorliege, zwar nicht in unbefugter Form, wie wenn ein Arzt praktizieren würde, der gar keiner ist, aber hier sei die Allgemeinheit zu schützen, die nicht informiert werden würde, ob es sich um einen deutschen oder einen ausländischen Hochschulabschluss handle.
Stürmer will „die Allgemeinheit“ geschützt sehen: Der Bürger müsse wissen, wenn er zu einer Psychologin ginge, wo sie ihren Abschluss gemacht habe !
Vieles sei es durch die Globalisierung unüberschaubar geworden, ob es sich um einen deutschen oder um einen ausländischen Titel handele, daher sei die korrekte Form zu verwenden. Es bestehe ein Unterschied, ob Psychologin oder Psychologist angegeben werde. Der Bürger müsste darüber informiert sein, wenn er zu einer Psychologin ginge, ob sie einen deutschen Abschluss habe oder einen ausländischen. Der Normalbürger müsse wissen, woher der Abschluss komme. Er lese Psychologin, eventuell noch M.A. Aber welche Qualifikation dahinter stecke, wisse er nicht. Der Bürger würde auf ein falsches Pferd gesetzt werden.
Der Gesetzgeber würde sagen, dass man nichts abwandeln dürfe.
Selbstverständlich dürfe man einen Titel in arabischer Schrift in lateinische Buchstaben umwandeln, zur Klärung könne man z.B. die wörtliche Übersetzung zur Deutlichmachung in Klammern angeben. Es liege ein Titelmissbrauch vor, also nicht wie generell ein Dr. – Titel ja oder nein. Es gehe hier rein um das Formalistische.
Ob der Titel erworben war, war der Staatsanwältin schnuppe, es geht nur um dessen „Missbrauch“
Sürmer gab an, gerne unterstellen zu können, dass der englische Titel richtig sei, sie könne das aber nicht nachweisen, das wolle sie aber auch nicht.
Dennoch habe sich die Angeklagte schuldig gemacht. Ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe stünden im Raum. Aus den einschlägigen Vorstrafen bzw. den zweimaligen Verurteilungen aus Geldstrafen habe die Angeklagte nichts gelernt. Trotzdem würde sie als Staatsanwältin keine Freiheitsstrafe sehen und beantragee daher eine Bestrafung von 200 Tagessätzen à 30 €.
Gibt es so etwas wie Sippenhaft in Gießen ?
Für das Aufbringen des Geldes könne ja auch noch der Ehemann der Angeklagten mit aufkommen, der immerhin Professor an der hiesigen Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) sei.
Das Plädoyer von Rechtsanwalt Müller
Erzürnung über die Staatsanwaltschaft auf Seiten des rechtsanwaltlichen Plädoyers
Rechtsanwalt Müller trat diesem Plädoyer erzürnt gegenüber und warf der Staatsanwaltschaft vor drei bis vier Jahre Zeit gehabt zu haben, richtig zu recherchieren. Das sei aber nicht gemacht worden ! Es ginge also gar nicht um die Rechtmäßigkeit der Titelerlangung, sondern lediglich um die Kombination. Die Qualifikation ist da. Die Allgemeinheit wird geschützt. Im vorliegenden Fall handle es sich sogar um eine Überqualifikation. Er fragte scharf in Richtung Stürmer: „Wo wird hier die Allgemeinheit getäuscht ? Was brauche ich denn noch ? Haben wir es hier im Land mit Menschen von einem IQ von nicht mehr als 50 zu tun ?“
Müller beantragte Freispruch.
Das letzte Wort der Angeklagten
Christidis: „Ich werde meinen Titel weiter verwenden, weil ich ihn erworben habe und besitze !“
Dr. Andrea Christidis erklärte: „Ich werde den Titel weiter verwenden. Die Staatsanwaltschaft München hat mir auf eine Anfrage die Antwort erteilt, dass eine Kollegin, die ihren ausländischen Titel ebenso trägt wie ich, das zu Recht tue. Die Staatsanwaltschaft München ging sogar noch weiter und konstatierte, dass die Berufsbezeichnung gar keine rechtliche Bedeutung habe. Das ist kein Missbrauch, sondern eine Berufsbezeichnung. Ich wurde nach deren Auffassung zu Unrecht verurteilt. Die widerstreitenden Rechtsauffassungen der Staatsanwaltschaft München und die der Staatsanwaltschaft Gießen müssten im Zweifel schließlich höchstrichterlich entschieden werden, wenn hierzu keine eindeutige Rechtslage vorliege.“
Müller warf noch kurz ein, dass sowohl im Personalausweis als auch im vorliegenden Pass nach Prüfung der Behörde der Titel Dr. eingetragen wurde.
Christidis schloss sich ihrem Rechtsanwalt nochmal mit eigenen Worten an.
Die Urteilsverkündung
Gegen 12:00 wird das Urteil verkündet: Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde verworfen. Es gilt das erstinstanzliche Urteil, das war Freispruch. Andrea Christidis ist freizusprechen, weil man zum Positiven für den Anklagten urteilen muss.
Man könne es ja anders auslegen, aber das wird ja die Staatsanwaltschaft in der Revision machen.
Der erworbene akademische Grad ist Master. Es liegt kein Verstoß vor, auch nicht im Zusammenspiel Psychologin mit dem englischen Titel
In seiner Begründung führte Söhnel auf, es sei der Vorwurf gemacht worden M.A. EILLM & Bundelkhand University sei ein Titelmissbrauch. Das Amtsgericht Gießen hätte den Titelmissbrauch nicht bejaht.
Davon sei die Kombination nach § 132 StGB nicht berührt bzw. dagegen verstoßen worden.
Das Wort Psychologin sage nichts aus, da es sich um einen Beruf handele, der nicht unter § 132a fällt. Es sei auch kein Dipl. Psychologe benannt worden.
Master sei mittlerweile auch ein deutscher Hochschulabschluss, dieser werde nur verliehen, wie er verliehen wird. Die Staatsanwaltschaft sei sehr formalistisch ausgelegt. Söhnel sah keinen Verstoß im Zusammenspiel Psychologin mit dem englischen Titel. Dies ist kein Abschluss einer deutschen Universität. Der akademische Grad ist Master und den habe Frau Christidis erworben.
Die Kosten des Prozesses gehen an die Staatskasse.
Der Film
Sehen Sie hier den Film unseres Kollegen Volker Hoffmann: Irrfahrt einer Psychologin … Dr. Andrea Christidis endlich vor einem gerechten Richter
Text aus dem Interview mit Dr. Andrea Christidis und Rechtsanwalt Manfred Müller im Anschluss an den Prozess
Heiderose Manthey: Die 8. Kammer hat Sie freigesprochen, wie fühlen sie sich jetzt Frau Christidis ?
Andrea Christidis: Also es ist in diesem Fall jetzt erstmal Recht gesprochen worden meines Erachtens, aber ich bin sicher, der nächste Prozess folgt bestimmt, weil die Staatsanwaltschaft Gießen sicherlich nicht aufgeben wird, wie sie es seit Jahren macht, irgendwelche neu erfundenen Straftatbestände gegen mich zu suchen.
Manthey: Rechtsanwalt Müller, wir haben jetzt einen vierstündigen Prozess um den Titelmissbrauch gegen Andrea Christidis hinter uns mit einem Freispruch. Wie sehen Sie diesen Freispruch ?
Manfred Müller: Ich sehe den Freispruch als absolut gerechtfertigt, dass hier in dieser Form der Titelmissbrauch nicht nachgewiesen wurde. Das Gericht hat ziemlich ausführlich dargelegt, dass es darum geht, dass der deutsche Begriff Psychologin nicht geschützt ist und auch damit klar dargelegt, man muss ihn nicht unbedingt in der englischen Form nennen und wichtig war halt, dass in der Titel-Kombination klar herausgestellt wurde, dass hier UNIVERSITY steht, so dass die Titel-Kombination eindeutig für jeden darlegt, dass hier kein deutscher Titel erworben wurde und damit eine Strafbarkeit nicht gegeben ist.
Christidis lässt sich nicht einlullen – auch nicht von der Staatsanwaltschaft
Christidis: Das ist mein Titel und das deutsche Wort Psychologin ist eine Berufsbezeichnung und kein Titel und diese Verwendung im Zusammenhang Psychologin und dem Titel M.A. (= Master of Arts) und dann die entsprechenden Universities sind ja kein Titelmissbrauch. Der Titel an sich beginnt mit M.A. plus der entsprechenden Universität und das andere ist eine reine Berufsbezeichnung. Diese Sorge der Staatsanwältin, ich würde den Titel eindeutschen, ist für mich eher ein Zeichen von Herrenmenschentum …
Müller: Man kann nur eins machen, man kann den geraden Weg weitergehen, klar die Titel so gebrauchen, wie sie sind, und die Missstände, die hier in diesen Bereichen bei den Gutachtern eintreten, anzeigen, aufzeigen und für Abhilfe sorgen. Und das ist ja auch die Absicht von Frau Christidis, warum sie den direkten Weg geht und sich nicht einlullen lässt oder jetzt auch sich in die Reihe der Gutachter einordnet, die wirklich zum Teil Gefälligkeitsgutachten erstellen.